Colossians 1

Text: Kolosser 1,1-2 Der Brief Pauli an die Kolosser Einleitung Auch dieser Brief zu Rom in der Zeit der ersten Gefangenschaft Pauli daselbst geschrieben. In den Banden war er (Kap. 4, 3 + 18) , aber in naher Hoffnung zu seiner Befreiung. Denn dieser Brief an die Kolosser gehört der Zeit nach nahe zu dem an Philemon; weil Kol. 4, 4–14 die nämlichen Gefährten Pauli genannt werden, die Philem. V. 23–24 vorkommen. Auch bezieht sich Paulus auf Quesimus und dessen mündliche Nachrichten (Kol. 4, 9) und das war ja derselbe, welcher auch Philemon seinen Brief zu überbringen hatte (Philem. V. 10–12) . Im Brief an Philemon aber äußerte der Apostel so viel nahe Hoffnung zu seiner Freiheit, daß er sich die Herberge bestellte bei Philemon (Philem. V. 22) . Philemon scheint selbst ein Glied der Gemeinde zu Kolossen gewesen zu sein, und vermutlich ein wohlhabender Mann, der sich durch Gastfreiheit zum Dienst der Gemeinde hergegeben hat; auch mag Archippus, dessen Kol. 4, 17 und Philem. V. 2 gedacht wird, ein Sohn von ihm gewesen sein. Kolossus war eine Stadt in Phrygien in Kleinasien, nicht weit von Laodicea und Hierapoli, die deswegen Kap. 4, 13 so zusammen genommen werden. Paulus ist zwar auf seinen Reisen im Dienst am Evangelio auch in selbige Gegenden gekommen; nach Kolossus aber muß das Evangelium erst nachgehends durch den Dienst des Epaphras gekommen sein; Paulus aber der Gemeinde selbst von Person unbekannt geblieben sein (Kap. 2, 1). Doch können einige Kolosser, wie zum Beispiel Philemon, des Paulus Dienst von Ephesus aus genossen, oder sonst bei einer Gelegenheit mit ihm Bekanntschaft gemacht haben. Der anfängliche Segen des Evangelii, den Epaphras zu sehen die Freude hatte, muß durch eingedrungene fremde Lehren aufgehalten worden sein, und da selbige teils viel Schein der Weisheit, teils viel falsche Geistlichkeit vor sich hatten, so hat Epaphras nicht genug zu widerstehen gewußt, und daher zu Paulus seine Zuflucht genommen, und ihn veranlaßt, daß, da er ihm viel von der Kolosser Liebe und Vertrauen versichern konnte; Paulus ihnen mit einem schriftlichen Zeugnis der Wahrheit zur Hilfe kommen möchte. Nun hatte Paulus zu gleicher Zeit und durch den nämlichen Überbringer (Eph. 6, 21 ; Kol. 4, 7) an die Epheser geschrieben, und es so eingerichtet, daß es auch anderen benachbarten Gemeinden zur Stärkung in der angenommenen Wahrheit konnte mitgeteilt werden; wie er denn vermutlich den Kolossern darauf deutet, daß sie selbigen Brief sich von Laodicea aus sollten mitteilen lassen (Kap. 4, 16) . Doch wollte er noch eine nähere Anweisung geben, wie die Kolosser besonders es zu ihrer Verwahrung anzuwenden hätten. Daraus läßt sich denn die Übereinkunft und der Unterschied dieser beiden Briefe beurteilen. Die Hauptabsicht Pauli bei diesem Brief ist aus Kap. 2, 6–8 zu ersehen, die dahin geht, daß Glaube und Liebe aus der Erkenntnis GOttes und Christi ihre rechte Lauterkeit behalten. Diesem nach ist die Epistel noch jetzt ein stattliches Zeugnis von der Offenbarung des ganzen Vorsatzes GOttes in Christo, und leitet uns an, wie das, was GOtt nach dem Rat seines Wohlgefallens in seinem Sohn von Ewigkeit zu unserem Heil beschlossen hat, und durch denselben an uns ausführen will, nun wirklich uns zum seligen und ungestümmelten Genuß gedeihe, und auch durch unseren Wandel in solcher Wahrheit bestätigt werden möge. Man teilt sonst den Brief in vier Haupteile, nämlich: die Überschrift Kap. 1, 1–2 Lehrvortrag Kap. 1, 3 - 2, 7 Ermahnungen Kap. 2, 8 - Kap. 4, 6 Beschluß, Kap. 4, 7–18 Text: Kolosser 1,1-2 Damit legitimiert sich Paulus, woher er das Recht habe, sich auch solcher Gemeinden anzunehmen, die nicht durch seinen Dienst gesammelt waren. GOttes Wille hat ihn zu einem Apostel gemacht. GOtt ergriff ihn, lenkte damit aber auch seinen Willen zur Übergabe an GOtt und an den himmlischen Beruf. In den Willen GOttes sich einwickeln können, ist der Grund aller Amtsfreudigkeit, der Sieg über die Welt, und Alles, was uns nach der Menschen Willen gefangen nehmen will, ja die Kraft, GOtt auch noch mit Leiden und Tod zu preisen. Timotheus wird mehr kindliche Ehrerbietung, als brüderliche Vertraulichkeit gegen Paulum gebraucht haben, Paulus aber desto mehr herunterlassende Liebe. In dem Brudernamen ist überhaupt etwas, das der Einfalt und dem Ansehen, und zugleich der Freundlichkeit der Gläubigen untereinander gemäß ist. Glaube und Liebe ist beim rechtschaffenen Gebrauch dieses Namens in der zärtlichsten Bewegung. Der Glaube hält sich an den, durch dessen Wohlgefallen wir von oben geboren sind, und die Liebe umfaßt Alles, was von GOtt geboren ist. Die Gemeinschaft mit GOtt durch den Glauben macht Heilige. Die Gemeinschaft unter einander macht Brüder in Christo. So wenig es taugte, sich ohne Heiligkeit oder ohne Gemeinschaft mit GOtt einen Bruder nennen zu lassen, so wenig verbirgt sich bei der wahren Heiligkeit oder gegründeten Gemeinschaft mit GOtt die Liebe zu den Brüdern. Gnade begreift alle zu unserem Heil geschäftige Liebe GOttes in sich, vom ewigen Erbarmen an, in welchem uns der Sohn zum Heiland bestimmt worden ist, bis zur Vollendung alles dessen, was uns aus der Versöhnung Christi zufließt. Friede ist der erste herzstillende Genuß der Gnade, der fortgeht bis zum ewigen Daheimsein in den Häusern des Friedens. Gnade ist nicht leicht ohne einigen Frieden. Friede ohne Gnade aber wäre die größte Sicherheit. Wem seine Seele aus dem Frieden vertrieben wird, der suche nur wieder Gnade. Was mir GOtt nicht als meinen Vater, und JEsum nicht als meinen HErrn im Glauben bekannt und brauchbar macht, das gibt mir nicht Gnade und Friede, wenn es auch das Klügste und Feinste wäre. Wo Gnade und Friede einen Menschen einmal umfangen hat, da behalte sie doch das Regiment! Text: Kolosser 1,3-8 Da des Apostels Hauptabsicht auf ihre Befestigung und Verwahrung ging; so fängt er nun an, sie seines freudigen Anteils an ihrer Christengnade zu versichern, und erinnert sie dabei an die richtigen Wege, auf welchen sie zum Glauben an das Evangelium gekommen seien. So ein von GOtt angezündetes Licht, so eine auf dem Berg angelegte Stadt konnte nicht verborgen bleiben. Eine wahre Nachricht vom Lauf des Evangelii breitete man damals gerne aus, und sie konnte und kann auch noch jetzt Manches zu gemeiner Erbauung beitragen (Apg. 14, 27 ; 15, 3 + 4 + 12). Glaube an Christum JEsum heißt Glaube an GOtt, wie er sich in Christo geoffenbart hat, oder der Glaube, wie man durch Christum zu GOtt kommt. Durch solchen Glauben wird man selbst ein geheiligtes Eigentum GOttes in Christo JEsu; und das stiftet dann eine Liebe und Eintracht zwischen allen Heiligen . Vor der Welt macht uns freilich der Charakter eines ausgebreiteten, und Alle in seiner Liebe umfassenden Menschenfreundes mehr Ruhm und Ehre als die Liebe zu den Heiligen, denn das führt auf einen Unterschied hinaus, den die Welt nicht gern will aufkommen lassen. Die Welt hat eine Liebe, daß ihr ein Jude und ein Türke lieber ist als ein Heiliger; weil sie aller Anderen ihre Art eher mit ihrem Wesen reimen kann, als dieser Heiligen. Wenn man freilich die noch schwachen Anfänge des Glaubens, die noch darüber ergehenden Versuchungen bedenkt, so könnte es einem zweifelhaft werden, ob man sich schon so zu freuen und GOtt zu danken Ursache habe. Aber beim Hinaussehen auf das Ziel der Hoffnung, die uns beigelegt ist , wird uns die Gnade sehr groß. Denn so bald der Name eines Sünders, der auf Erden Buße tut, mit Freuden bekannt wird im Himmel , so wird sich auch etwas von seiner beigelegten Krone, bereiteten Erbschaft und Hoffnung aufschließen; und das wird ihm und Anderen vor und nach dem Abscheiden immer mehr ins Licht gesetzt. Aber von dieser Hoffnung könnte nichts in unser Herz kommen, wenn es nicht durch das Wort der Wahrheit geoffenbart wäre; und man soll auch seinen eigenen Mutmaßungen davon nicht nachhängen, und sich und Anderen keine Bilder außer dem Wort der Wahrheit machen. Im Unmut möchte der Mensch freilich gern vorwenden können, es sei zu keiner Gewißheit und Überzeugung zu bringen. Aber GOtt sagt ihm: es ist dir nahe, es kommt zu dir, wie in alle Welt ; aber freilich nicht, daß du dich vorher bei aller Welt und bei der Wirkung des Evangelii in aller Welt aufhalten solltest, ehe du an dein Herz und den – dem Evangelio schuldigen Gehorsam denkst; sondern daß ich das, was an mich gekommen ist, gewissenhaft gebrauche, und alle Welt der – auch über sie ausgebreiteten Liebe GOttes überlasse. Gewiß ist es unaussprechlich, was die jetzt so ungläubige und undankbare Welt doch für gute Früchte vom Evangelio zu genießen hat, und wie vieles auch von Künsten und Wissenschaften, milderen Sitten und Ordnungen nicht wäre, wenn das Evangelium nicht Vorschub dazu getan hätte. Die eigentliche Frucht des Evangelii aber ist Erkenntnis der Gnade GOttes ; und dazu konnte Epaphras die Kolosser fördern, daß ihnen Paulus nichts Anderes hätte sagen können. Mit diesem Zeugnis ehrt Paulus die Gnade in Epaphra. Epaphras ist aber auch so redlich, und hat dem Apostel der Kolosser Liebe und zu ihm getragene Hochachtung bezeugt, ohne zu sorgen, daß ihm so viel abgehe, als dem Apostel zuwachse. O wie viel Läuterungen braucht unsere Liebe noch, bis sie ist, was sie heißt, Liebe im Geist, bis Alles daran mehr zum Wachstum des inneren als zur Belustigung des äußeren Menschen angewendet, bis alle heimlichen Reizungen zur Eifersucht, zum Aufblasen übereinander weggeschmelzt werden. Text: Kolosser 1,9-14 Pauli Gebet für der Kolosser Stärkung und Bewahrung. Epaphras hatte dem Apostel der Kolosser Liebe kund getan, und dadurch fand sich der Apostel auch in eine besonders teilnehmende Liebe gegen sie gesetzt, die ihn zu solcher Fürbitte neigte; darin er sie als Miterben der Gnade des Lebens GOtt vortrug. Die Apostel haben überhaupt Beten für eine viel Zeit und Kraft erfordernde Amtsverrichtung gerechnet. Heutigen Tages wird viel mehr Lebensart und Achtung vor allem menschlichen Wohlstand zugemutet, als neben diesem priesterlichen Aufwarten vor GOtt bestehen kann. Die Freude über den gemachten guten Anfang erweckt das Bitten um Erfülltwerden . Mit Erkenntnis der Gnade GOttes in der Wahrheit wird der Grund gelegt; aber dann gibt es auch ein Fortschreiten in Erkenntnis alles weiteren Rats und Willens GOttes , wobei der Geist GOttes immer mehrere Gewißheit verleiht, was man zu tun und was man zu lassen habe; festeren Grund wo man hingeht; mehrere Übung, guten Unterschied zu machen, Betrug und Übereilung zu verhüten. Das haftete aber Alles nichts, wenn es nicht durch den Wandel befestigt würde, und durch den Fleiß, sich dem HErrn zum Wohlgefallen darzustellen. Aber wenn der Glaube an den HErrn JEsum, und die Liebe zu den Heiligen auch sonst fruchtbar macht zu allem guten Werk ; so wächst darunter nicht nur die Erkenntnis des Willens GOttes, sondern es trägt auch Erkenntnis und Bekanntschaft mit GOtt selbst , Erfahrung in seinen Wegen, Liebe GOttes, Fertigkeit, sich in seine Wege zu schicken, aus. Mithin ist hierbei freilich keine Erkenntnis, die bloß durch Vorstellungen, Überzeugungen und Einsichten liefe; sondern das Leben des Herzens aus dem Wort der Gnade, der inwendige Mensch erlangt dadurch eine Stärkung mit aller Kraft , und es geht darin oft über unser Bitten und Verstehen nach dem Reichtum der herrlichen Gnade GOttes. Inmittelst kommt doch alle Kraft GOttes unter unserer Schwachheit zum Zweck; und daher legt sich auch alle göttliche Stärkung bei uns zur Geduld und Langmütigkeit an, über den Schwachheiten nicht verdrossen und argdenklich zu werden, über dem langen Ankleben derselben nicht auf unmutige Strenge gebracht zu werden, sondern GOttes Werk mit aller Sanftmut auszuwarten, und dabei das freudige Danksagen immer vordringen zu lassen, gegen den Vater , der durch sein Wohlgefallen den Wert auf uns gelegt, daß wir auch zu dem vorzüglichen Los der aus der Finsternis an das Licht berufenen und gebrachten Heiligen gekommen sind. Nach seiner Hauptabsicht in diesem Brief, GOtt in Christo zu verkündigen, führt es der Apostel immer aus dem Vater, als der Hauptquelle her, was an uns im Vorsatz zu unserem Heil, in der Ausführung bei der Erlösung, so durch Christum JEsum geschehen ist, und nun bei der Zueignung durch den Geist Christi geschehen ist, und täglich geschieht. Das Evangelium predigt uns die Gnade in Christo überall als eine sehr wichtige Versöhnung und als eine mit starkem Arm geschehene Erlösung . Sünde ist nicht nur eine uns zugezogene Schwachheit; und Hilfe aus der Sünde besteht auch nicht bloß in einer solchen Erholung unserer Natur. Finsternis , Unwissenheit, Zweifelmut, Unvermögen spürt der Mensch freilich an sich selbst; Verdruß, Ungeduld schlägt aus dieser Finsternis heraus. Aber daß eine Obrigkeit und Macht der Finsternis dahinter stecke, aus deren es einer Erlösung bedürfe, das wird erst aus dem Evangelio bekannt, und zwar als eine durch Recht und Gericht ausgeführte Sache. Der Sohn selbst ist freilich das höchste Augenmerk in der Liebe und in dem Wohlgefallen des Vaters; durch den Sohn aber kommt Liebe und Angenehmsein in dem Geliebten auch auf uns. Dem lieben Sohn hat der Vater ein Reich bereitet, und in das sind wir versetzt durch den gnädigen Ausspruch GOttes, durch den Er uns dem Sohn gegeben hat, und durch den an uns kräftig gewordenen Ruf des Evangelii. Der Vater hat uns den Sohn zum Erlöser bereitet, gesandt, geschenkt, im Evangelio verkündigt; und damit haben wir Ihn, und an Ihm auch die Erlösung, die durch Blut gestiftet worden, und in deren anfänglichen Genuß man durch Vergebung der Sünden eintritt. Text: Kolosser 1,15-20 Was in obigem Ausspruch: GOtt hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes, für Reichtum liegt, wird nun weiter ausgewickelt und näherer Grund gegeben, teils warum Er der Sohn der Liebe heiße, teils was Ihm für ein Reich und Vorrang in Allem eingeräumt sei, teils wie es mit unserer Versetzung in dies Reich zugehe. In diesen Worten wird der Sohn GOttes nach seinem Verhältnis mit dem Vater, mit aller Kreatur und mit seinen Auserwählten besonders gepriesen. In den Augen seines himmlischen Vaters selbst ist der Sohn das Ebenbild GOttes . Der Vater hat schon, ehe der Welt Grund gelegt ward, am Sohn den vollkommensten Abdruck seines Wesens, den Abglanz, seiner Herrlichkeit, gehabt. Durch seine Menschwerdung aber ist der Sohn nochmals auch das sichtbare Ebenbild des unsichtbaren GOttes geworden, und konnte daher sagen: Wer mich sieht, der sieht den Vater. Und noch jetzt ist Er durch sein Wort und künftig in der Ewigkeit von Angesicht zu Angesicht das Ebenbild, aus dem wir dem Vater in das Herz hinein sehen. Als dieses Ebenbild GOttes ist Er also kein Stück und Teil der Kreatur, hat sein Wesen und Leben nicht aus der Schöpfung, sondern ist gezeugt und geboren eher, als etwas geschaffen worden. Vielmehr ist Alles nicht nur durch Ihn , sondern auch zu Ihm geschaffen , oder geschaffen, Ihm untertan zu sein, mit Ehre, Verlangen und Anbetung Ihm anzuhangen. Diesfalls breitet sich der Apostel besonders wegen der Thronen, Herrschaften und Fürstentümer im Himmel am meisten aus, weil dessen die Kolosser am bedürftigsten waren. Nämlich wie es von Alters her der leidige Weg war, auf welchem die Menschen GOtt verloren, und Ihn, die lebendige Quelle, verlassen haben, daß sie ihr Vertrauen auf den höchsten GOtt anfingen zu teilen zwischen manchen anderen unsichtbaren Kräften und Wesen, von denen sie auch Schutz und Hilfe zu erlangen meinten: so hat auch dergleichen Schein der Weisheit das Evangelium Christi dadurch verstellt, daß der Menschen Herzen in ihrer Furcht, Hochachtung und Vertrauen sich an dergleichen Zwischenkräfte hängen sollten; deswegen der Apostel so eifrig ist, Alles als dem Sohn unterwürfig vorzustellen, zwischen diesem und seinen Auserwählten aber einen so genauen Zusammenhang, wie zwischen Haupt und Gliedern, zu behaupten. Schon von Anfang her hat sich der Sohn GOttes der Menschenkinder besonders angenommen, war ihr Licht und Leben, ging ihnen in ihrer Finsternis nach, war bei denen den Erzvätern verliehenen Erscheinungen geschäftig, gab den Heerführer Israels ab, erhielt GOtt zur Zeit der Geduld im Übersehen und Ausharren. Aber durch seine Menschwerdung, durch die in seiner Menschwerdung erfundene ewige Erlösung, durch die Erwerbung eines eigentümlichen Volks, durch die Macht, sich eine Gemeinde zu sammeln, selbige mit seinem Geist und Gaben zu beleben, aus seinem Fleisch und Blut zu nähren zc. ist erst eine Verbindung wie zwischen Haupt und Gliedern entstanden. So tief es aber mit dem Sohn GOttes herabging in Tod und Grab, so hoch ging es auch wieder hinan, damit, daß er der Erstgeborene von den Toten geworden ist, oder der Erste, dem der Vater den Weg zum Leben kund getan, und Ihn damit zum Fürsten des Lebens und Herzog der Seligkeit zum Ursächer des ewigen Lebens gemacht hat für das ganze menschliche Geschlecht; der zwar den Vorrang in Allem hatte, aber auch Alles nach sich zu ziehen bevollmächtigt ward. Denn die in Ihm wohnende Fülle machte Ihn zu dem für uns so brauchbaren, überschwenglich genugsamen, über alle unsere Bedürfnis hinreichenden Heiland, der Alles, was zu unserer Begnadigung und Verherrlichung gehört, aus dieser Fülle verschaffen, und Alles durch sich selbst ausführen kann. Die Ausführung des uns zugedachten Heils aber ging freilich durch einen nach GOttes Wohlgefallen ersehenen und Ihm geziemenden Weg. Es war nicht damit getan, daß der Vater den Sohn als einen großen Zeugen seiner Liebe in die Welt sandte, viel von des Vaters Namen durch Ihn verkündigen ließ, und uns damit von unserem feindseligen Sinn gegen GOtt abzöge, oder uns zu einem Vertrauen auf GOtt aufrichtete; sondern GOtt warf unsere und aller Welt Sünde auf diesen unseren Mittler, nahm den Gehorsam, die Leiden, die Aufopferung desselben, die Vergießung seines Bluts als ein Lösegeld für uns an. Nach dieser – an diesem für uns zur Sünde gemachten Sündopfer vorgenommenen Verdammung der Sünde wurde erst die Rechtfertigung zum Leben festgesetzt und verkündigt, und wir zur Gemeinschaft mit GOtt und zum Zugang zu seiner Gnade durch das Evangelium berufen, und der Friede zwischen Allem im Himmel und auf Erden verkündigt, der aber nicht nur als ein Zeugnis von der Liebe GOttes, sondern als eine Frucht der am Kreuz allermeist geschehenen Aufopferung und Blutvergießung anzusehen ist. Text: Kolosser 1,21-23 Nähere Anzeige, wie das von GOtt in Christo bereitete Heil an den Kolossern sei zu Stande gebracht worden, und wie noch jeder in der heutigen Zeit dazu gelangen könne. "Alles versühnt, was im Himmel und auf Erden ist," öffnet freilich einen herrlichen Anblick, aber darüber muß man doch das: auch euch , nicht zurücklassen. Man jagt oft den Erkenntnissen von der großen Haushaltung GOttes nur zu begierig nach, und vergißt darüber fast seiner selbst und seines gegründeten Anspruchs an dies Alles. O GOtt! Ich danke Dir für alle Einsicht, die Du mir in Deine Haushaltung und Regierung in Deinem Wort geschenkt hast, für alles Gewicht der Wahrheit von den wichtigen Dingen der zukünftigen Welt, vom Zustand nach dem Tod, von der Stadt GOttes, von der ganzen Führung des Hohenpriestertums Christi im Himmel. Gib mir Gnade, daß ich mit diesen Haushaltungs = Wahrheiten außer mir auch die nötigen Erfahrungs = Wahrheiten in mir, von der Sünde, von der Gnade, von ihren Wirkungen, vom Zeugnis des Heiligen Geistes, von der Gegenwart GOttes und deren Kraft zc. verbinde, daß Alles zusammen seinen Zug tue, das Herz fest und voll Zuversicht und Liebe zu machen. Wenn die Apostel den Gläubigen ihren vormaligen kläglichen Zustand so zu Gemüt führen, so macht man heutigen Tages die Frage, ob wir unseren Zustand von Natur auch so verdorben vorzustellen haben, und ob man mit Grund diese von den Aposteln über den verdorbenen heidnischen Verfall geführten Klagen auf unsere Zeiten und Leute anwende, da nun durch die Gnade Christi schon so viele Heilung am menschlichen Geschlecht vorgenommen sei? Es ist kein Zweifel, daß das Verderben im Heidentum größer war, und obschon wir von christlichen, wohl auch von besonders gottseligen Eltern abstammende, noch bös und geborene Sünder sind; so ist uns doch Manches an unserem Erbschaden gemildert, und uns die nahe Gelegenheit, GOtt als Liebe zu finden sehr erleichtert. Aber das muß man mehr als einen Vorzug unserer Zeiten, und nicht unserer Personen erkennen. Durch Versäumnis der Gnade seiner Zeit aber kann man wieder so arg und ärger werden, als ein Heide. Ohne Lust zu GOtt, ohne Vertrauen zu GOtt, ohne Freude an GOtt werden wir doch geboren, und wenn uns die Gnade nicht so zeitig umfinge, wenn bei der Taufe nicht ein Schnitt in das Fleisch geschähe, und eine Kraft, den Geist aus dem Fleisch herauszuziehen, angewendet würde, wenn nicht so mancher Unterricht aus GOttes Wort dazu käme, was würde aus uns? Ungehorsam und daraus kommende böse Werke scheiden freilich uns und unseren GOtt von einander. Aber in den Ungehorsam wird man durch einen Fürwitz der Vernunft oder der denkenden und grübelnden Kraft hineingestürzt; darüber übt die Vernunft ihre Feindschaft wider GOtt , oder doch ihre Entfremdung von GOtt aus. Aus dieser Feindschaft geschieht die Versöhnung erst bei dem – in Glauben angenommenen Evangelio. Am Kreuz Christi versühnte GOtt die ganze Welt mit sich selbst, und setzte das Neue Testament und in demselben die Nichtzurechnung unserer Sünden fest. Auf das hin ließ Er die Bitte im Evangelio an alle Welt ergehen: Laßt euch versühnen mit GOtt. Wer dieser Bitte Raum gibt, der wird wirklich versühnt. Hieraus beurteile man, ob die Versühnung nur eine Veränderung bei uns nach sich ziehe, und eigentlich nur wir mit GOtt versühnt werden, oder ob nicht auch auf Seiten GOttes etwas vermittelt worden sei, auf das Er erst dies Wort von der Versühnung aufgerichtet hat. Und daß der Apostel auch beim Empfangen der Versühnung sich so auf das Opfer des Leibes JEsu bezieht, wie er oben die Erwerbung desselben aus dem Blut des Kreuzes herleitete, das ist ein deutlicher Beweis, daß man sich auch bei der Annahme der Versühnung nicht bloß auf die Lehre Christi und auf seine Verkündigung von der Liebe GOttes gründe, sondern eigentlich auf sein Opfer und Blutvergießen, auf das Tragen unserer Sünden an seinem Leib, auf die Aufhebung unseres Fluchs zc.; das Gewissen kann sich auch in nichts zufrieden geben, das nicht im Licht jenes Tages bestünde. Aber der Preis des Bluts Christi reicht bis an das heilig und unsträflich Dargestelltwerden vor GOtt. Durch den Glauben wird die schon vor unserem Glauben gemachte Versühnung angenommen, und durch Bleiben im Glauben wird sie festgehalten. Auch unter den Anfällen von Zweifeln wurzelt man immer tiefer unter sich, wie ein vom Wind erschütterter Baum fester wird. An der Versühnung hängt die große Hoffnung der Herrlichkeit, und um derselben willen hält man so fest über der Versühnung; und aus der allgemeinen Ausbreitung des Evangelii erleichtert man sich den Glauben: An Deinen Worten, Trost und Heil gehört mir mein besonder Teil. Text: Kolosser 1,24-29 Paulus legt ein eindringliches Zeugnis von seinem apostolischen Amtseifer ab, in der Absicht, auch dadurch den Kolossern die Gnade, die unter der Predigt des Evangelii an sie gekommen ist, groß und das Bleiben an derselben recht nötig zu machen. Bei dem HErrn JEsu hören wir neben allem Gehorsam und Begierde, den Willen des Vaters zu tun, doch eher von Traurigkeit bei herannahenden Leiden und von Stille und Gelassenheit unter dem Leiden, nicht aber gerade von Freudigkeit . JEsu Leiden mußte nämlich nach allen Teilen ein wahrhaftiges, völliges, auch unter der Schmach, als ob Er von GOtt so geschlagen wäre, liegendes Leiden sein. Die Verklärung und der Geist der Herrlichkeit, der jetzt über den Leidenden ruht, mußte erst erworben werden. Die Freudigkeit der Apostel unter ihrem Leiden war eine Frucht der Traurigkeit JEsu unter seinem Leiden. Bei unserem Leiden muß uns oft die Schwachheit des Fleisches unter Furcht und Traurigkeit, oft aber auch das Vielvermögen GOttes und seines Geistes der Herrlichkeit unter großem Frieden und verspürter Freudigkeit beim Leiden offenbar werden; Beides ist heilsam. Man erzwinge und affektiere nur nichts, sondern nehme an, was und wie es GOtt nötig findet. Die Predigt des Evangelii unter den Heiden hat dem Apostel sein Leiden meist zugezogen. Darum konnte er sagen, er leide für sie , und bestätige damit auch die Wahrheit des unter ihnen gepredigten Worts. Am Leiden Christi mangelt nichts, sein Opfer ist vollbracht, was am Leibe seines Fleisches zu übernehmen war, das ist erstanden. Aber was an seinem Leib, der Gemeinde, noch zu vollenden ist, daran gibt es noch jetzt zu erstatten . Wie Moses und andere Vorbilder im Alten Testament schon die Schmach Christi trugen; so tragen vielmehr nun alle wohlgeratenen Nachbilder im Neuen Testament die Trübsale Christi. So lange Christus einen Samen in der Welt hat, so hat er noch einen Leib, der Fersenstiche von der alten Schlange auszustehen hat; und an diesem Leib stehen alle Glieder in solcher Gemeinschaft, daß es allen wohl kommt, wenn das Maß der Leiden bald voll ist. Offb. 6, 10 + 11 w erden Geister schon vollendeter Gerechter noch sänftiglich auf die Nachkunft ihrer Brüder vertröstet, die auch unter ihrem Maß von Leiden vollendet werden sollten. Nach Vollendung der Leiden wird GOtt mit der Kirche Christi zur Herrlichkeit eilen. – Oben V. 23 nannte sich der Apostel einen Diener des Evangelii, hier einen Diener der Gemeinde . Das gehört zusammen. Der Gemeinde muß man so dienen, daß dabei dem Evangelio nichts vergeben wird; aber auch nicht unter dem Vorwand des Evangelii über das Volk herrschen, sondern ein Gehilfe der Freude werden. Selbst im Himmel und bei solchen Geschöpfen, deren Leben nicht nach Zeiten und Geschlechtern, sondern nach Weltwährungen abgemessen und gerechnet wird, ist das, was GOtt zu der Menschen Seligkeit verordnet hat, ein Geheimnis gewesen, und mit Begierde erwartet worden. So ist auch unter den Menschen von einem Geschlecht auf das andere viel Warten gewesen, wie der Segen unter alle Völker der Erde kommen werde? GOtt verherrlicht sich an den Menschen vornehmlich durch Gnade und Wahrheit. Wer die Herrlichkeit GOttes kennen lernen will, muß Ihn in seiner Gnade und in seiner durch Erfüllung seiner Verheißungen bewährten Wahrheit kennen lernen. Der Reichtum dieser herrlichen Gnade und Wahrheit hat sich allermeist im Beruf der Heiden geoffenbart, beim Ausgehen der Knechte an die Zäune und Landstraßen, das Haus von Geladenen voll zu machen. Darum ist der unter den Heiden gepredigte, von ihnen geglaubte und durch den Glauben in ihnen zu wohnen gekommene Christus ein überzeugender Beweis von dem herrlichen Reichtum. So viel Gutes man aus dieser Gemeinschaft jetzt schon genießt, so ist doch das Höchste und Beste der Hoffnung erst noch vorgehalten. Christum für uns (V. 14, 20 - 21) und Christum in uns verkündigen wir nach dem jetzigen Genuß und nach der noch weiter daran hängenden Hoffnung. Ermahnen erweckt mehr den Willen; Lehren erleuchtet mehr den Verstand; durch Beides, an jedem einzelnen Menschen gebraucht, wird das ganze Herz des Menschen zur Übergabe an GOtt aufgefordert. Schöner, hoher Zweck, große Nutzbarkeit des Predigeramts, einen jeglichen Menschen vollkommen darstellen in Christo JEsu. Wie gar etwas anderes, als wenn man einen bloß zum Handlanger der weltlichen Obrigkeit machen will, der auch mit ihr den Lastern steuern, Gehorsam, gute Ordnung, Arbeitsamkeit im menschlichen Leben aufbringen soll. O " in Christo JEsu dargestellt", geht weiter! Nicht nur so an Andere hingelehnt, mit und von ihnen fortgeschleppt, sondern daß einem selbst auf die Füße geholfen ist, JEsum, und was man an Ihm hat, recht kennt, nach Herz und Sinn völlig in Christo ist, und so zu einem ungekränkten Fortgang in seinem Gnadenlauf bis zum Ziel seiner Hoffnung ausgerüstet ist. Das kostet Arbeiten mit Anstrengung aller Kräfte, und Verleugnung aller Gemächlichkeit; Ringen , innerlich im Gebet vor GOtt (Kap. 1, 9. – 4, 12) und äußerlich zum Durchbrechen durch so viele Hindernisse; aber beides nach der Wirkung des in uns wirkenden Geistes Christi. Wenn der dich wozu brauchen will, so steig in Kraft empor; wird JEsus in der Seele still, so nimm du auch nichts vor.
Copyright information for Rieger